Ségolène Présidente !?
Ségolène in Grenoble! Was für ein Menschenauflauf vor der Hall Clemenceau bereits drei Stunden vor Beginn der Veranstaltung. Da das Thema der Debatte die Jugend war, wurde diese auch zuerst durch einen extra Eingang eingelassen und durfte im Parterre Platz nehmen, während alle anderen auf die Ränge mussten. Die Halle war bis zum letzten Platz gefüllt (3.500 Zuschauer) und vor der Halle waren noch einmal 600 Menschen, die nicht mehr hineinkamen. Die verbleibende Zeit bis zur Ankunft der Präsidentschaftskandidatin wurde dazu genutzt die Zuschauer allumfassend mit Wahlkampf-Giveaways zu versorgen: T-Shirts, Pappe-Schilder zu hochhalten ("Ségolène Royal Présidente", "MJS", "Ségophere" "Les jeunes pour Ségolène" und viele mehr), Fahnen, Aufkleber und was das Wahlkampf-Herz sonst noch so begehrt. Das ging solange bis schließlich jeder mindestens drei verschiedene Schilder hatte, die man dann mit seinen zwei Händen irgendwie unter Kontrolle halten musste.
Um kurz nach 19.00 Uhr schließlich war dann soweit: Ségolène betritt die Halle durch den Zuschauereingang, alle flippen vollkommen aus, die Menschen im Parterre stehen auf ihren Stühlen, minutenlanges Bad in der Menge bis sich Ségo schließlich dann doch noch zur Bühne durchkämpfen kann.
Es beginnt das Forum participatif, das aus einem Wechselspiel von Fragen der "Jugend" und Antworten hochrangiger PS-Politiker (nicht nur Ségo) besteht. Zum Schluss folgt dann Ségolènes mit Spannung erwartete Rede, von der ich allerdins ziemlich enttäuscht war, und zwar in mehrfacher Hinsicht.
Man kann Ségolène nicht vorwerfen, dass sie rhetorisch schlecht sei, unter einer mitreißenden Wahlkampfrede verstehe ich allerdings etwas anderes. Auschnitte aus ihrer Rede kann man sich hier anschauen. An einen Gerhard Schröder oder einen Joschka Fischer reicht sie einfach nicht heran, man spürt keine Leidenschaft bei ihr. Ihre Rede hat Höhepunkte, auch gegen Sarkozy teilt sie aus, trotzdem... Zudem war sie über weite Teil auf ihre Notizen angewiesen, von denen sie doch ziemlich viel ablas. Steif wie eine Salzsäule stand sie da hinter ihrem Rednerpult und hob alle Minuten lang mal den Zeigefinger. Mitreißend geht anders.
Inhaltlich hat sie eigentlich alle Ungerechtigkeiten der Welt angesprochen, die es zur Zeit so gibt (von prekären Arbeitsverhältnissen, zum Nord-Süd-Konflikt, zur schlechten Wohnsituation vieler Menschen in Frankreich...). Man hatte das Gefühl, dass sie einfach mal alle möglichen Zielgruppen bedienen wollte und vor allem allen etwas versprechen wollte: eine extra Gesundheitskarte für Jugendliche in Frankreich, die eine kostenlose Gesundheitsversorgung ermöglicht, der Neubau von hunderttausenden von kostengünstigen Sozialwohnungen (es lebe die banlieue!) usw. Kein einziger Satz über die Finanzierung solch ehrgeiziger Konzepte, wobei Schuldenabbau auch ein ehrgeiziges Ziel im Dienste der Jugend ist...
Ich fand das schade, macht sich Ségolène inhaltlich damit doch zu einer leichten Beute von Sarkozy, der ihre Vorhaben wahrscheinlich relativ einfach auseinander nehmen könnte (und dies sicher auch noch machen wird). Außerdem habe ich meine Zweifel, ob sich Ségolène mit ihrer gestrigen rhetorischen Leistung gegen den Giftzwerg Sarkozy wird durchsetzen können, der ja immer mal gerne auf die Kacke haut und echt nicht zimperlich ist mit dem was er sagt. Den Einzug in den Elysée würde ich Ségolene in jedem Fall wünschen, nach gestern bin ich allerings ein Stückchen skeptischer geworden.
TF1 berichtet über Ségolènes Auftritt in Grenoble.
Hier (bei 3:55 min bin ich für einen Augenblick im Publikum zu sehen!) und hier findet ihr weitere Auschnitte der Wahlkampfveranstaltung.
Dr. Faustus - 2. Feb, 15:01